Südkorea ist ein eher wenig bekanntes Reiseziel. Doch das Land ist hochinteressant, wirkt zunächst jedoch extrem fremdartig. Doch genau das ist der Reiz. Impressionen aus der aufstrebenden Metropole Seoul. Reisebericht aus einer der interessantesten Städte der Welt.
von Swen Lorenz
Südkoreanische Schüler und Studenten, so sagt man, gehören zu den Fleißigsten der Welt. 16 Stunden Arbeit an normalen Tagen, drei Stunden Schlaf in den Nächten vor Examen und wer es sich leisten kann, fügt am Wochenende noch privaten Nachhilfeunterricht („hagwon“) dazu.
Die jungen Leute, die nachts um 2 Uhr in meinem lokalen Cafe über ihren Büchern hingen, machten in der Tat einen leicht gestressten Eindruck.
Auch ich war nach Südkorea gekommen, um zu studieren. Allerdings nicht mit der Absicht, mich für eine der dortigen Elite-Universitäten zu bewerben. Ich wollte einfach das Land besser verstehen, mir einen Überblick über koreanische Börsen-AGs verschaffen, und nach Möglichkeit die eine oder andere Investment-Opportunität finden, mittels derer man von den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen der geteilten Halbinsel profitieren könnte.
Während meines zweiwöchigen Aufenthalts stationierte ich mich in Gangnam, dem trendigsten und reichsten Stadtteil in Südkoreas Hauptstadt. Begegnungen mit übernächtigten Studenten wurden dabei für mich zum praktisch täglichen Erlebnis. Beachtenswerterweise machten die eifrigen jungen Koreaner auch spät nachts einen ziemlichen produktiven Eindruck, wobei gelegentlich der eine oder andere über seinen Büchern einschlief.
Weil ich quasi rund um die Uhr am Bildschirm klebte und die Nachrichten aus Amerika, Europa und Asien verfolgte, passte sich meine innere Uhr während dieser zwei Wochen nie an die lokale Zeit an. Dementsprechend die späten (oder „frühen“) Ausflüge in die nahegelegenen Cafes, von denen etliche 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche geöffnet waren.
„Liebe BBC, wie war das nochmal mit den Leibwächtern?“
Seit dieser Reise sind drei Monate vergangen. Ich konnte somit auch die nachfolgenden Ereignisse in diesen Bericht mit aufnehmen.
Mein Trip überschnitt sich mit dem Nordkorea – USA Gipfeltreffen, das Mitte Juni 2018 in Singapur stattfand. Den Flug hatte ich bereits im Februar gebucht, nichtsahnend, dass ich just zu diesem historischen Ereignis in einem der betroffenen Länder sein würde. Purer Zufall. Offenbar wollte das Universum, dass ich dieses einmalige Spektakel von einem günstigen Beobachtungspunkt aus verfolgen konnte.
Vor einigen Tagen nahm ich mein Recherchematerial aus Südkorea wieder zur Hand, zudem ging ich alle aktuellen Nachrichten durch. Nunmehr war der ideale Zeitpunkt gekommen, um die damaligen Beobachtungen und die bisherigen Entwicklungen in Form eines dreiteiligen Artikels zu Papier zu bringen.
Das Gipfeltreffen hielt seinerzeit die Welt in Atem, wurde gleichzeitig aber in verschiedenen Regionen des Globus völlig unterschiedlich wahrgenommen. Die nimmer endende Flut neuer Berichte über den Gipfel war auch deshalb so interessant zu beobachten, weil man einige generelle Dinge daraus lernen konnte. Sowohl im Hinblick darauf, wie man internationale politische und wirtschaftliche Ereignisse analysieren und interpretieren muss, als auch mit Blick auf Investment-Opportunitäten an Orten, die entweder noch nicht im Blickpunkt stehen oder die Anleger bislang primär auf Basis von Berichten in den Mainstream-Medien zu verstehen versuchen.
Hier eine Auswahl von Schagzeilen, wie sie damals in europäischen und amerikanischen Medien erschienen:
„Wer sind die rennenden Leibwächter aus Nordkorea?“ (BBC)
„Was werden Trump und Kim beim Gipfeltreffen zu Mittag essen?“ (Newsweek)
„Was verraten uns die Schokoladenkekse über Kim Jong-uns Absichten?“ (ABC News)
Im Vergleich hierzu einige Schlagzeilen die ich damals in koreanischen und anderen asiatischen Publikationen fand:
„Wie profitabel werden die Geschäfte zwischen den beiden Koreas sein?“ (Korea Herald)
„Szenario-Analyse für die nordkoreanische Wirtschaft“ (Korea Times)
„Südkoreas Foodtech-Startup bereitet Online-Führer für die besten nordkoreanischen Restaurants vor“ (Jakarta Times)
Dies ist natürlich eine bewusste Auswahl aus tausenden von Schlagzeilen.
Der Punkt, den ich damit mache, ist dadurch aber nicht weniger relevant. Wenn Sie das Nordkorea – USA Gipfeltreffen über die koreanischen oder asiatischen Medien verfolgten, kamen Sie geradezu zwangsläufig zu anderen Einsichten, als Beobachter von europäischen oder amerikanischen Medien.
Eine Welt, zwei (oder noch mehr) subjektive Realitäten.
Dort, das übliche Hergeziehe über Trump und generelle Skepsis.
Hier, die Erwartung von Veränderungen und der Wunsch, davon zu profitieren.
Die Berichte über die mittlerweile legendären rennenden Leibwächter sowie die Schokoladenkekse und Mittagsmenüs waren durchaus unterhaltsam. Allerdings galt mein Interesse ja der Frage, ob man irgendwie Geld mit diesen Entwicklungen verdienen könnte. Deshalb verfolgte ich die lokale und asiatische Presse mit noch größerem Interesse. Die dort gebotenen Informationen waren einfach relevanter.
„Inter-Koreanische Aktien“, und so viele davon
Sie werden von mir an dieser Stelle (noch) nicht die Empfehlung bekommen, den offensichtlichen Weg zu gehen und in jene südkoreanische Konzerne zu investieren, die von einer wirtschaftlichen Öffnung des Nordens profitieren könnten. Dafür ist es meines Erachtens noch zu früh.
Wozu ich Ihnen aber rate ist, ein Auge auf jene Gelegenheiten zu halten, über die Sie nie von Ihrem Banker oder Broker hören würden, die Sie aber problemlos mit Ihrem vorhandenen Bankdepot oder Brokeraccount kaufen und verkaufen könnten.
Dazu gehören eben auch die 166 südkoreanischen Börsen-AGs, mittels derer Sie auf die eine oder andere Weise schon jetzt in Nordkorea einen Fuß in die Türe bekommen könnten.
Dazu gehört zum Beispiel Busan Industrial (ISIN KR7011390002), ein Hersteller von Baumaterial. Die Gesellschaft ist relativ klein. Der Skeptiker würde sagen, dass der jüngste Kursanstieg der Aktie vor allem durch koreanischen Börsenforen und leichtgläubige Kleinanleger getrieben wurde. Aber immerhin, der Anstieg um über 400% seit April hat sich bislang als nachhaltig erwiesen. Die Aktie erlitt zwar zwischendurch eine Korrektur, notiert jetzt aber schon wieder nahe ihrem Allzeithoch. Der fulminante Anstieg begann einen Tag vor dem historischen und symbolischen Grenzübertritt von Kim Jong-un am 26. April. Sie hätten auch nach dem Grenzübertritt noch leicht auf den fahrenden Zug aufspringen können. Hätten Sie doch eben nur die richtigen Informationen zur richtigen Zeit gehabt.
Aus dem Beispiel von Busan Industrial lassen sich auch interessante Schlüsse darüber ziehen, welche Entwicklung die Märkte sowohl für das Gipfeltreffen als auch die danach folgende Zeit hatten. Diese Erwartungen standen so ganz im Gegensatz zu dem Bild, was der überwiegende Teil der europäischen und amerikanischen Journaille entwarf.
Journalisten oder Märkte, wer liefert wohl zuverlässigere Indikationen für die Zukunft?
Wer die Vorbereitungen für das Gipfeltreffen und die anschließenden Entwicklungen nicht nur durch die westlichen Leitmedien verfolgte, sondern sich auch aktiv um andere Perspektiven und Einsichten kümmerte, konnte mit einigen der inter-koreanischen Aktien ein hübsches Sümmchen verdienen.
Wobei ich der Erste bin, der zugibt, dass diese Investments nicht risikofrei waren. Immerhin hätten die Schokoladenkekse beim Gipfel vergiftet sein können! Zudem war diese ganze Geschichte mit relativ viel Rechercheaufwand verbunden, und nicht jeder hat die Zeit, sich mit derart komplexen Themen auseinanderzusetzen.
Auch ich verpasste den Anstieg dieser Aktien. Ich hatte jedoch vollstes Vertrauen in die Verhandlungsstrategie von Trump, andernfalls hätte ich mich sicherlich nicht zum Zeitpunkt des Gipfels in die Schusslinie nordkoreanischer Atombomben begeben (mein Apartment wäre binnen 7 Minuten ausgelöscht gewesen). Meine Kenntnis nordkoreanischer Investments beschränkte sich zuvor auf ausgefallene nordkoreanische Anleihen, die wahrhaft exotisch und selbst für Profianleger schwer zu handeln sind.
Wenigstens habe ich jetzt ein tieferes Verständnis der Situation und der verfügbaren Aktien, weswegen ich in Zukunft schneller agieren kann.
Vorschau: Das Nr. 1 Nordkorea-Investment (so sagt man)
Als jemand, der Mitte der 1970er Jahre geboren wurde und in Deutschland aufwuchs, habe ich viel Erinnerungen aus der Zeit, in der die Wiedervereinigungseuphorie zu einem Boom in deutschen Aktien führte.
Die anfängliche Euphorie über die 15 Millionen zusätzlichen deutschen Konsumenten ließ die Aktien westdeutscher Konsumfirmen, Anlagenbauer und Baukonzerne in die Höhe schießen. Auf die Partystimmung folgte jedoch ein Kater, denn für den Wiederaufbau des Ostens waren hohe Investitionen notwendig und es sollte alles Jahre dauern. Die Aktienkurse gerieten unter die Räder und liefen eine Zeit lang seitwärts, bevor die Aktien der tatsächlichen und soliden Profiteure der Wiedervereinigung einen neuen, nachhaltigen Aufwärtstrend begannen.